(frei nach Sibylle Berg)
Er ist nicht verliebt in mich. Er würde sich gerne verlieben, sagt er, weil das ja auch ein schönes Gefühl ist, aber es geht nicht. Er denkt, dass ich darauf warte. Er sagte: Liebe ist und war nie. Ich habe das akzeptiert. Es ist also nicht sein Problem. Er hat mich nie belogen. Dass ich das Hoffen nicht sein lassen kann, dafür kann er ja nichts. Er hat sich da nichts vorzuwerfen. Als ich ihn traf, konnte das keiner ahnen. Er sagt, ich bin derzeit die einzige, mit der er schläft. Und er kommt jedesmal, wenn wir uns treffen. Vielleicht sind wir zu schnell ins Bett gegangen. Obwohl das wahrscheinlich Quatsch ist, den sich nur irgendwelche Zeitschriften ausdenken. Sie sollten nie am ersten Abend mit einem Mann schlafen, der sie länger interessiert und so. Wobei mir damals nicht klar war, dass ich das tue. Die tun so, die Zeitschriften, als gäbe es einige sehr wenige Gesetze, und wenn eine Frau die einhält, kann sie einen Mann manipulieren wie nichts. Wie einen Hund. Obwohl ich das gar nicht will.
Männer sind auch Menschen. Vermutlich ist das Gefühl, dass er mich einfach so haben kann, nicht so aufregend für ihn, als wenn ich es ihm schwermachen würde. Jannes sagt, wenn ein Mann verliebt ist, ist es irgendwie völlig egal, wann eine Frau mit ihm ins Bett geht. Du machst es ihm zu einfach. Er kann mit dir anstellen was er will, dein Blick ist voll Liebe. Er schenkt dir nichts, weil er keine Lust hat, Geld für dich auszugeben, weil er nicht verliebt ist, hat er solche Anwandlungen von Geiz. Wenn einer verliebt ist, denkt er nicht an sich.
Er hat keine Lust, etwas von mir zu erfahren. Wenn ich erzählen will, sagt er nur: komm, blas mir Einen. Er fickt mich nur, wann es ihm passt. Er sagt immer: Vielleicht ficken wir nächstes Mal. Das legt ihn nicht fest. Aber meistens vögelt er mich doch, warum auch nicht? Es ist unangenehm, niemand zum Vögeln zu haben. Ich bin nicht hässlich, kann gut zuhören, und meistens, eigentlich so gut wie immer, kommt er. Er achtet schon darauf, dass ich auch komme. Aber er tut fast nichts dazu, und ich komme leicht. Ich glaube nicht, dass er viel darüber nachdenkt, warum er sich nicht in mich verlieben kann. Anfangs dachte er vielleicht, es ginge. Je mehr er über mich weiß, umso klarer wurde ihm: es geht nicht. Er hat das Gefühl, dass ich einen Mann nicht wirklich brauche, sagt er. Und er hat recht. Ich habe eine Sehnsucht, aber eigentlich brauche ich keinen Mann. Ich habe einen Job, um den mich viele beneiden. Ich bin einigermaßen klug, vielleicht zu klug, dass er sich mir überlegen fühlen kann. Ich wohne mit meinen Kindern, das ist kein gemütliches Liebesnest. Ich glaube, ich möchte nie mehr mit einem Mann zusammenwohnen, seit der Trennung von ihrem Vater. Er möchte vielleicht noch ein Kind. Ich aber nicht. Da bin ich egoistisch. Vielleicht ist das der Grund, warum er sich nicht in mich verlieben kann. Er hat, sagt er, keine Angst vor starken Frauen, vor unabhängigen Frauen. Aber eine wie ich kann einen Mann immer verlassen, weil sie ihn nicht wirklich braucht. Er hat schon einmal sehr gelitten wegen so einer Frau, sagt er. Männer leiden da viel mehr, sagt er. Weil auf einmal alles weg ist mit der Frau, was warm ist.
Er kann mich immer haben, aber er will nicht. Damals schlief er noch gerne mit mir, aber es wird weniger. Ich habe das Gefühl, es ist total anstrengend für ihn, mir gerecht zu werden. Mich zu halten, wenn er das wollte. Nicht, dass er mich für zu stark hält, davor hat er keine Angst, sagt er. Aber zu anstrengend für eine Beziehung. Eine Beziehung sollte doch nicht anstrengend sein. Ich mache immer so ironische Bemerkungen, sagt er, da weiß er nie, ob ich ihn hochnehme oder es ernst meine. Es würde mit mir anstrengend, würde er sich in mich verlieben, sagt er, und: schau mich nicht so an. Er denkt, ich würde darauf warten, dass er mich anfasst, und tut so als ob er schläft. Er fasst mich nicht an. Er sagt: Liebe ist und war nie.
Ich warte, dass die Liebe kommt. Jannes sagt, eins kann ich dir sagen: sie wird nicht kommen.
(Text frei nach: "der Mann ist nicht verliebt" in:
Sibylle Berg, Ein paar Leute suchen das Glück und lachen sich tot, Roman, Verlag Philipp Reclam jun. Stuttgart, 1997 und 2008, S. 156-158)
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen